Sylter Intrigen by Tomasson Ben Kryst

Autor:Tomasson, Ben Kryst [Tomasson, Ben Kryst]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2017-03-26T22:00:00+00:00

21. Die Mitglieder der Häkelmafia warteten vor dem Rathaus in Westerland, in dem sich auch das Casino und eine Gemäldegalerie befanden. Sie trugen wieder ihre bunten Windjacken, obwohl es an diesem milden Sommerabend nicht im Geringsten nach Regen aussah. Neben ihnen stand eine weitere Frau, die Kari auf Mitte vierzig schätzte. Sie hatte eine braune Cordhose, feste Schuhe und eine beigefarbene Campingweste mit zahlreichen Taschen für den Ausflug gewählt. Kari kam sich in ihren hellen Bermudas, der roten Fleeceweste und den Trekkingsandalen plötzlich merkwürdig unpassend bekleidet vor.

Die Frau streckte die Hand aus. Sie hatte ihre halblangen braunen Haare mit einem dunklen Tuch zurückgebunden. Um ihren Hals baumelte ein Fernglas. In der anderen Hand hielt sie eine digitale Spiegelreflexkamera.

»Roswitha Jensen«, stellte sie sich vor. »Ich bin Fremdenführerin.«

»Roswitha ist eine Freundin«, mischte sich Marijke Meenken ein. »Sie ist so freundlich, uns zu fahren, wenn wir auf Exkursion gehen wollen.«

Kari fragte sich, was aus dem grauen VW Käfer ihrer Vermieterin geworden war. Hatte ihn mittlerweile das Schicksal ereilt, das alle rostanfälligen Dinge früher oder später heimsuchte? Oder hatte sich Marijke Meenken entschlossen, aufgrund ihres Alters nicht mehr zu fahren oder gar ihren Führerschein freiwillig abzugeben?

»Wir warten noch auf Fanny, Gesche und Hedwich«, erklärte die Bäckerswitwe Alma Grieger und beantwortete damit unwissentlich Karis Frage. Zu siebt passten die Frauen natürlich nicht in den Käfer.

»Da sind sie ja!«, rief Marijke und deutete auf drei Frauen, die gerade die Ampel an der Maybachstraße überquerten. Sie trugen ebenso bunte Regenjacken wie die Häkeldamen, waren aber jünger als diese. Was bedeutete, dass sie sich irgendwo in der Region zwischen sechzig und siebzig bewegten.

Die Begrüßung erfolgte mit großem Hallo. Davon, dass die versammelten Frauen erst zwei Tage zuvor den Leichnam von Elmar Bruns am Fuß der Wanderdüne gefunden hatten, schienen sie sich ihre gute Laune nicht verderben zu lassen.

»Das ist Kari Blom«, stellte Marijke Meenken sie den neu Hinzugekommenen vor. »Sie ist Schriftstellerin!« Marijke senkte die Stimme, ehe sie fortfuhr: »Sie schreibt ein Buch über Delikatessen-Freund. Und damit das möglichst authentisch wird, recherchiert sie undercover an der Kasse.«

»Wie faszinierend!« Die Freundinnen der Häkeldamen flatterten aufgeregt um Kari herum. Alma Grieger stellte sie vor.

»Das ist meine Schwägerin Fanny Riepenhusen«, erklärte sie und zeigte auf eine in Würde ergraute Frau, die sich sehr gerade hielt. »Sie ist mit dem ehemaligen Geschäftsführer der Sylter Welle verheiratet. In zweiter Ehe«, fügte sie hinzu. »Mein Bruder ist schon vor vielen Jahren gestorben.«

»Ihm ist eine Betonplatte auf den Kopf gefallen«, warf Grethe Aldag ein. Kari wandte ihr den Blick zu, hätte aber nicht zu sagen vermocht, ob die Bemerkung scherzhaft gemeint war oder nicht. Die Miene der Klempnerwitwe mit den eisgrauen Haaren war so ausdruckslos wie immer.

Alma Grieger nickte und deutete zu den Westerländer Hochhäusern hinüber. »Als sie die Dinger da drüben gebaut haben.« Einen Moment lang verdüsterte sich ihr Gesicht, als sie an das Unglück zurückdachte. Dann fuhr sie sich energisch durch ihre orangegefärbten Haare, um den Schrecken zu vertreiben.

»Nun ja. Das ist jetzt fast fünfzig Jahre her. Und Fanny hat sich einen neuen Mann gesucht«, erklärte sie.

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